Die Anfänge der musikalischen Volkskunst in Neuhausen gehen bis in das frühe 18. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit gab es eine kleinere Gruppe von Musikern in Neuhausen zu denen je 4 Geiger und Sänger zählten, welche aber nur bei feierlichen Gottesdiensten und Prozessionen spielten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wuchs diese Gruppe auf 15 Spieler heran. Die Spieler hatten eine besondere Uniform aufgrund der man die Kapelle auch die Janitscharenmusik nannte. Um 1850 hatte die Kapelle mit mehr als 40 Spielern den Höhepunkt erreicht und wurde jedoch 1870 aufgelöst.
Neben der Janitscharia gab es einzelne Musiker mit Geigen und Blasinstrumenten, die zum Tanze spielten. Aus diesen Musikern erwuchs Ende 1860 eine Musikkapelle, die Harmoniemusik genannt wurde. Die Harmoniemusik blieb jedoch in der Bedeutung der Janitscharia zurück, zählte 1880 nur noch 17 Spieler und zerfiel 1890 zu einer lockeren Gruppe von Musikern.
Anton Schmid, genannt Boschke, übernahm 1890 die lose Gruppe der Spieler der Harmoniemusik, welche aber bald ganz auseinander viel. Im Jahre 1896 vereinigte Anton Schmid dann eine kleinere Zahl von Spielern unter seiner Führung, die aber nur als Spielkörper zusammentraten, wenn ein einträglicher Spielauftrag in Aussicht stand. Aus dieser Gruppe wuchs nach 1900 die Kapelle Presto.Ein begabter und ehrgeiziger Musikant jener Zeit, Karl Josef Rank, war nicht gewillt, mit Anton Schmid zusammen zu spielen und sammelte im Sommer 1900 einige Spieler unter seiner Führung zu einer zunächst losen Vereinigung. Aus dieser Vereinigung ging der Musikverein hervor. Sie verfestigte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem leistungsfähigen Spielkörper. Anfangs waren es nur 10 Männer im Alter von 33-61 Jahren gewesen. In den kommenden zwei Jahren schlossen sich weitere 5 Spieler der jungen Kapelle an, so dass sie in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg mit 15 Instrumenten besetzt waren.
Der erste musikalische Leiter, Karl Josef Rank, nannte die junge Spielschar „Kapelle Rank“. Sie hatte diese Bezeichnung 30 Jahre beibehalten. Im Jahre 1913 legte Karl Josef Rank den Taktstock nieder. Sein Nachfolger wurde Karl Rank, genannt Semme. Karl Rank war gut befähigt und schulte seine Spielgenossen, so dass sie vor der vier Jahre älteren Kapelle Presto bestehen und sie musikalisch überholen konnten. Der jungen Kapelle kam es auch zugute, dass sie durch das Freundschaftsverhältnis zum Bürgermilitär (der heutigen Bürgergarde) das Spiel am Fronleichnamsfest übernehmen durfte. Das gab ihr von Anfang an einen Vorsprung gegenüber der Kapelle Presto. Außerdem spielte die Kapelle bei örtlichen Vereinsfeiern, bei Hochzeiten und anderen Gelegenheiten zum Tanze auf und erhielt gelegentlich auch auswärtige Spielaufträge, zumal es in den Orten der Umgebung vielfach an Musikkapellen fehlte. Doch stellte der musikalische Leiter Rank seinen Spielgenossen vorerst kein höheres Ziel und ging über einfach Marsch-, Tanz- und Unterhaltungsmusik nicht hinaus. 1927 legte Karl Rank den Taktstock nieder und Heinrich Mayer übernahm die Leitung der Kapelle.
Am 2. Februar 1930 beschlossen die Spieler, die bisherige Kapelle in einen Musikverein umzuwandeln und ihm unterstützende (passive) Mitglieder zuzuführen. Die Vereinschronik verrät die Gründe, wenn sie schreibt: „Weil fast in jeder Gemeinde eine Kapelle aufgestanden ist, werden wir nur noch selten nach auswärts gerufen und haben deshalb auch keine Verdienstmöglichkeit und kein Geld, um unsere Instrumente unterhalten zu können.“
Der Erfolg blieb dem Verein nicht versagt, denn es traten sofort 130 Mitglieder ein. Zu ihrem Vorstand wählten die Spielgenossen Otto Mayer. Der musikalische Fortschritt zeigte sich unter Heinrich Mayer deutlich. Unter seiner Leitung nahm die Kapelle 1931 beim Musikfest in Nürtingen am Wertungsspiel teil und erkämpfte in der Mittelstufe einen 1. Preis. Sie hatte mittlerweile 20 Mann und stand in hohem Ansehen in der Gemeinde. Als Heinrich Mayer 1934 die Leitung niederlegte, ernannten ihn seine Musikkameraden zum Ehrendirigenten und wählten Albert Altenburger zum Nachfolger. Am 30. März 1934 schlossen sich der Musikverein und die von Karl Bauer geführte Kapelle Presto zu einem einzigen Verein zusammen. Die Kapelle zählte daraufhin 24 Mitglieder.
Kaum stand die Kapelle auf festem Grund, als ihr auch schon Gefahr drohte. Die örtliche Parteileitung der NSDAP wollte sie mit Gewalt in eine Parteikapelle umwandeln. Die Mitglieder aber widerstanden dem Versuch und lehnten am 6. Juni 1934 endgültig ab. „Wir wollen bleiben, was wir waren und sind – ein Musikverein!“ Mit diesen Worten kennzeichnete der Schriftführer die Haltung und Gesinnung seiner Spielkameraden in derVereinschronik. Doch befahl jetzt der Parteileiter, dass die Kapelle künftig bei allen National- und Parteifeiern unentgeltlich zu spielen habe. An erzwungenen Gelegenheiten fehlte es die Jahre herauf nicht: Bei allen Aufzügen, Propagandamärschen, an den jährlich wiederkehrenden Feiern, so am Tag der Arbeit, an der Johannisfeier, am Erntedankfest marschierte der Musikverein in klingendem Spiel voran und spielte auch bei Versammlungen und Kundgebungen jeder Art auf „höherem Befehl“.
4-5-6. Juni 1937
Deutsches Musikfest in Karlsruhe
Eine große Seltenheit ist, und war es für den Musikverein, ein solch großes Deutsches Musikfest mitmachen zu dürfen. Wie sich alle noch erinnern werden, wurde ja längst vorher schon davon gesprochen und beraten, ob der Musikverein Neuhausen nach Karlsruhe zum Preisspielen geht oder nicht. Es wurde nun einstimmig abgestimmt und alles war für ja, gut jetzt heißt es nicht mehr lange besinnen und solche Vorschläge zu einem renommierten Preischor zu machen. Frisch gewagt ist halb gewonnen. Bei unserer Auswahl kam der Matrosenchor Fliegender Holländer von Wagner in Frage. Derselbe wurde von unserem sehr bewährten Dirigenten Albert Altenburger eingeübt und von unseren beiden Ehrenkapellmeistern Karl Rank und Heinrich Mayer abgehorcht. Wie wir zu erfahren bekamen, waren beide sehr befriedigt mit unserer Leistung. Bald kam der große erfolgreiche Tag, wo es um das große ganze ging, und wirklich bei dem Auftritt und der erstklassigen Disziplin der ganzen Kapelle, war das ganze Publikum erstaunt, was von dem bekannten Neuhausen geboten wurde, selbst meine Persönlichkeit war erstaunt über die großartige Leistung und das wunderbare Tenorhornsolo von unserem treuen Kollegen Anton Fuchs. Nun war der Preischor gespielt, und wir konnten mit Freuden die Bühne verlassen, und mit bestem Humor auf die Preisverteilung warten. Montag früh wurden die Preise vergeben. Welch große Freude in unseren Musikerherzen geschlagen hat, als wir von einem ersten Preis hörten, kann sich ein anderer interessierter Mensch gar nicht vorstellen. Nun komm ich noch an das allgemeine Fest, wirklich schön und sehr zuvorkommend waren die Karlsruher Leute und unser Stammquartier im Prinz Carl hatte gestaunt über das Temperament und die lustige Gesellschaft des Musikvereins Neuhausen. Am Montagabend ging der Extrazug nach Stuttgart und wir fuhren mit dem Omnibus nach Neuhausen, wo alles schon mit Blumensträußen Wartete um die preisgekrönte Kapelle abzuholen, in ihr Stammlokal zum Jägerhof. Hier waren wir noch einigen Stunden lang vergnügt und lustig beisammen, bis die Polizeistunde heranrückte und wir uns verabschieden mussten. Dieses schöne lange Musikfest Karlsruhe wird uns ewig in Erinnerung bleiben, mit ihrem außerordentlich schönen Festzug und den wunderbaren Anlagen mit Blumen geschmückt, ebenso die schön geschmückten Strassen und Häuser.
Als der Krieg zu Ende war, erhob sich der Verein langsam wieder. Aber es vergingen Jahre, bis er die Verluste aufgeholt hatte. Einige junge Spieler füllten die Lücken aus, die der Krieg gerissen hatte. Doch waren die Spielaufträge selten, es fehlte das Geld, die Instrumente instand zu setzen und neue erwerben zu können. Bestehen aber blieb die Freundschaft mit dem Bürgermilitär. Weil es aber verboten war, die Uniformen aus den Schränken zu holen und die Gewehre beschlagnahmt waren, spielte der Musikverein bei der Fronleichnamsfeier 1945 und 1946 im Zylinder und schwarzen Frack. Im Juli 1949 besuchte die Kapelle das Musikfest in Wernau und erkämpfte mit dem Chor „Einzug der Gäste auf der Wartburg“ in der Oberstufe den 1. Preis. 1950 zählte die Kapelle bereits 27 Musiker.
1950 legte Albert Altenburger den Taktstock nieder. Als sein Nachfolger wurde Emil Applis von der Kapelle gewählt. Vom 29. bis 31. Juli 1950 konnte der Musikverein sein 50jähriges bestehen im Ochsengarten im größeren Rahmen feiern. 1951 legte der bisherige Vorstand Otto Mayer sein Amt nieder. Er hatte den Verein 20 Jahre lang geleitet und ihn durch die schwere Zeit des Dritten Reiches und der Nachkriegszeit geführt. Zum neuen Vorstand wurde Hermann Herzog gewählt. Da im Musikverein in dieser Zeit keine gute Zusammenarbeit bestand, legte Hermann Herzog bereits 1952 sein Amt nieder. Ebenso sah sich Emil Applis außerstande, die Kapelle weiterhin zu leiten und schied in dieser aus. In dieser Phase übernahm Anton Nagel die Vorstandschaft. Zum neuen Dirigenten wurde wiederum Albert Altenburger gewählt. Im Herbst 1952 beschloß die Vorstandschaft, der Kapelle eine einheitliche Kleidung zu beschaffen. Die neue Uniform wurde bei der Weihnachtsfeier im selben Jahre im Saalbau vorgestellt.
Bis 1956 leitete Albert Altenburger die Kapelle. Er war maßgeblich am Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg beteiligt und ein sehr guter musikalischer Leiter, darüber hinaus ein exzellenter Gesellschafter. Sein Nachfolger Alfred Schnatterer hatte dieses Amt 30 Jahre inne. Große Musikfeste, wie die Jubiläumsfeste 1960, 1975, 1985 und unvergessene Landestreffen der Bürgergarde wurden von ihm maßgeblich geplant und durchgeführt. Nicht selten umrahmte man große Anlässe mit seinen eigenen Kompositionen. Auch die historischen Prozessionsmärsche wurden von ihm neu arrangiert. Aufgrund seiner großen Verdienste für den Musikverein wurde Alfred Schnatterer 1987 zum Ehrendirigenten ernannt. 1985 zählte die Kapelle 53 Musiker und erreichte seit Bestehen ihre größte Stärke. Während der Zeit von Alfred Schnatterer waren Anton Nagel (1952 bis 1958) und Hermann Heim (1958 bis 1964) die Vorstände des Musikvereins. 1964 wurde der bisherige Schriftführer Heinz Eisele als Vorstand gewählt.
1987 übernahm Karl Bayer die Leitung der Kapelle, die im Festjahr 1990 aus 45 aktiven Mitgliedern bestand. Karl Bayer wirkte auch maßgeblich an der Jugendarbeit mit. Während seiner Amtszeit wurde unter anderem auch ein großes Jugendorchester aufgebaut.
Nach jahrzehntelanger Wanderschaft des Musikvereins von einem Probelokal zum anderen, wurde 1993 das jetzige Vereinsheim mitten im Zentrum von Neuhausen aufgebaut und gebührend eingeweiht.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Musikvereins übernahm 1992 mit Peter Kuchar ein externer Dirigent die Leitung der Kapelle. Peter Kuchar leistete seinen musikalischen Einstand am 28.05.1992 bei der Schöllhau Hocketse des MV-Wolfschlugen. Mit ihm konnte ein erfahrener und exzellenter Dirigent gewonnen werden. Er sah das Weihnachtskonzert als Höhepunkt und persönliche Herausforderung und überrascht gleichermaßen Musiker und Publikum mit anspruchsvollen Darbietungen. Im Jahre 1994 trat Heinz Eisele aus dem Amt des 1. Vorsitzenden zurück, und Andreas Fogl übernahm seine Position.
Im Jahr 2000 feierte der Musikverein sein 100 Jähriges bestehen. Zum großen Festakt gehörte ein Abend Unterhaltungsmusik durch die Musikband Blaumeisen, ein Neuhäuser Abend unter der Mitwirkung verschiedener Neuhäuser Vereine unter dem Motto „Musik ohne Grenzen“ welcher musikalisch durch den Partnerverein Trachtenmusikkapelle Niedernsill (Österreich) gestaltet wurde. Am Haupttag des Festes wurde ein Feldgottesdienst zelebriert, anschließend gab es einen großen Festzug durch Neuhausen und am Abend wurde der Große Zapfenstreich gespielt. Abgerundet wurde das Fest mit einem Kinderumzug und einem Milleniums-Jahrgangstreffen der Neuhäuser Jahrgänge mit musikalischer Unterhaltung durch die Neue Donauschwäbische Blasmusik.
Peter Kuchar leitete den Musikverein Neuhausen bis Dezember 2004. Bei seiner Verabschiedung am Weihnachtskonzert 2004 galt ihm großer Applaus für seine Verdienste dem Musikverein Neuhausen gegenüber. Sein Nachfolger wurde Musikdirektor Rainer Kellmayer. Mit Rainer Kellmayer konnte wiederum ein sehr erfahrener Dirigent gewonnen werden.
2005 durfte der Musikverein Neuhausen das 200-Järige Jubiläum seines Brudervereins der Bürgergarde Neuhausen musikalisch mitgestalten. Im Jahr 2007 gab es einen Vorsitzendenwechsel. Andreas Fogl, der den Musikverein vorbildlich geführt hatte, trat nach 13 Jahre aus dem Amt des 1. Vorsitzenden zurück. Seit März 2007 ist Raphaela Schaller die 1. Vorsitzende des Musikverein Neuhausen / Filder e.V.
Zum jetzigen Zeitpunkt zählt das aktive Stammorchester 56 Musiker und der Musikverein weit über 300 Mitglieder. Zu den Hauptveranstaltungen des Vereins gehören weiterhin die traditionelle Sommerhocketse und das Weihnachtskonzert. Der Musikverein nimmt an Landestreffen in den Reihen der Bürgergarde Neuhausen / Filder e.V., hat Auftritte bei Hocketsen in Neuhausen und Umgebung, veranstaltet Jährlich ein Frühjahrskonzert und gestaltet die Neuhäuser Fasnet aktiv mit, um nur einige musikalische Aktivitäten zu nennen.